CMD-Therapie und TENS

Der Einsatz von TENS-Geräten in der CMD-Therapie

Ein Fallbericht von Dr. Christian Köneke (Bremen)

Frau R., 32 Jahre alt, stellte sich am 21.11.2005 erstmalig in meiner CMD-Sprechstunde vor. Sie litt an massiven Funktionsstörungen der UK-Beweglichkeit mit zeitweise auftretender Kiefersperre und massiven Gesichtsschmerzen sowie an Angstzuständen wegen dieser Symptomatik.

Anamnese

Am 16.04.2004 sei bei lautem Sprechen und Blick nach rechts plötzlich eine Kiefersperre und sehr starkes Ziehen im rechten Ohr aufgetreten. Eine Schienentherapie 1-6/2005 sei mit mäßigem Erfolg durchgeführt worden. Die Symptomatik trete zeitweise noch auf. Insbesondere bestünde eine massive Kopfschmerzproblematik, die von rezidivierenden HWS-Rotationsblockierungen ausgehe. Zum Zeitpunkt der Vorstellung war keine Aufbiss-Schiene vorhanden.


Befunde

Gelenkrelevanter Kurzbefund:

Sagittale und transversale Zwangsbisslage. Langzeitprovisorisch versorgte untere Stützzonen. Wechselwirkungen von Fehlbiss zur Körperstatik.

Dentaler Befund:

CMD_tens_befund

Befund der Manuellen Funktionsdiagnostik:

  • Unterkieferbeweglichkeit aktiv und passiv normal weit und unauffällig.
  • Kompression retrusiv in beiden Kiefergelenken sehr schmerzhaft.
  • Ventrale Translation rechts sehr schmerzhaft im rechten Kiefergelenk.
  • Traktionen und Translationen sonst unauffällig bei hart-ligamentärem Endgefühl.
  • Vorverlagerung der Disci in beiden Kiefergelenken.
  • Massivste Druckdolenzen in nahezu allen Muskeln des stomatognathen Sytems.
  • Isometrietests bei Mediotrusion, Adduktion und Abduktion unauffällig.
  • Trigeminusdruckpunkte unauffällig.
  • HWS-Beweglichkeit nach links deutlich, nach rechts etwas eingeschränkt.

Befund MRT nach Auswertung in der Praxis Douglas E. Toll (Bad Soden):

Rechts:

  • Deutliche dorso-craniale Fehlstellung des Kondylus innerhalb der Fossa mandibulae.
  • Discus steht mit der pars posterior auf 10-Uhr-Position.
  • Beginnende degenerative Veränderung des Processus Condylaris mit kortikaler Arrosion.
  • Discocondylärer und discotemporaler Begleiterguss.

Links:

  • Deutliche dorso-craniale Fehlstellung des Kondylus innerhalb der Fossa mandibulae.
  • Discus ist leicht vorverlagert, die pars posterior steht zwischen 10- und 11-Uhr-Position.
  • Processus condylaris zeigt keine deutlichen degenerativen Veränderungen.
  • Disci reponieren sich regelhaft.

Therapie

Initialer Therapievorschlag:

  • orthopädische Deblockierung der Wirbelsäule
  • anschließend: Registrierung der Zentrallage des Unterkiefers
  • Eingliedern einer Funktionsschiene
  • Physiotherapie und Schienenkorrektur nach Physiotherapie
  • okklusale Rehabilitation in neuromuskulärer Zentrik nach erfolgreicher Schmerzbeseitigung

Therapieverlauf:

  • 2.12.2005:Schritt 1

    Orthopädische Deblockierung, Eingliedern einer Funktionsschiene in vorläufiger neuromuskulärer Zentrik am selben Tag.

  • 2.12.2006 bis 23.3.2006Schritt 2

    13 physiotherapeutisch-craniosacraltechnische Doppelstundenbehandlungen mit unmittelbar daran anschließenden Bisslagekorrekturen auf der Schiene. Erreichung einer stabilen Unterkieferposition mit Beschwerdefreiheit im Bereich der Zähne sowie deutlicher Besserung der Beschwerden im HWS-Bereich. Noch extrem selten Kopf- oder Gesichtsschmerzen.

  • 23.3.2006:Schritt 3

    Rezidiv der massiven Gesichtsschmerzen. Massive muskuläre Dysbalance im stomatognathen System durch privaten Stress. Diskrete Vorkontakte auf der noch kurz zuvor gleichmäßig eingestellten CMD-Schiene regio 6 rechts und links (Abb. 1 und 2). Mittels TENS-Gerät innerhalb von 15 min. Relaxation der Kaumuskulatur und Erreichung von gleichmäßigen Okklusalkontakten auf der CMD-Schiene ohne Einschleifmaßnahmen (Abb. 3 und 4). Abklingen der Beschwerden innerhalb der nächsten drei Tage, unter Nutzung eines TENS-Gerätes (Abb.5 und 6).


Prognose und Epikrise

Der Einsatz des TENS-Gerätes bei Patienten mit muskulären Dysbalancen kann innerhalb kurzer Zeit zu einer deutlichen Relaxation der Kaumuskulatur führen. Diese ist erforderlich, um die okklusalen Kontaktverhältnisse korrekt beurteilen zu können. Patienten mit korrekt eingestellter neuromuskulärer Zentrik, die unvorhergesehen mit Okklusales Fehlkontakten den Zahnarzt aufsuchen, sind zunächst in Hinsicht auf muskuläre Dysbalancen zu Untersuchen. Das TENS-Gerät leistet hierzu einen sehr guten Beitrag, da innerhalb kurzer Zeit eine muskuläre Relaxation erreicht werden kann.
Im vorliegenden Fall wurde der Patientin der eigene Erwerb eines TENS-Gerätes empfohlen, um regelmäßig zu Hause für eine Relaxation der Kaumuskulatur zu sorgen, da die Verspannungszustände nicht dentogener sondern psychogener Ursache sind. Unter Einsatz dieser Technik lassen sich zwar nicht die psychischen Probleme der Patientin lösen, aber deren negative Auswirkung auf die Muskulatur des stomatognathen Systems eliminieren.
Die Patientin ist zur Zeit nicht offen für die angeratene kombiniert kieferchirurgisch-kieferorthopädische Einstellung des Unterkiefers in der therapeutisch erreichten beschwerdefreien Position. Eine langfristige Beibehaltung der CMD-Schiene wird unter Begleitung von Muskelrealxationsmassnahmen wie TENS in besonderen Stressphasen der Patientin ein lebensqualitätssicherndes Therapieergebnis bringen.


Abbildungslegende:

Abb. 1: Okklusionskontakte auf der CMD-Schiene vor Muskelrelaxation durch TENS links
Abb. 2: Okklusionskontakte auf der CMD-Schiene vor Muskelrelaxation durch TENS rechts
Abb. 3: Okklusionskontakte auf der CMD-Schiene nach Muskelrelaxation durch TENS links
Abb. 4: Okklusionskontakte auf der CMD-Schiene nach Muskelrelaxation durch TENS rechts
Abb. 5: TENS-Elektroden angelegt für M. Masseter rechts
Abb. 6: TENS-Gerät: Einfache Bedienung auch für den Patienten

Autoreninformation:

Der Autor des Artikels Dr. C. Köneke (Bremen) ist Organisator des jährlich stattfindenden Norddeutschen CMD-Curriculums zur Zertifizierung des Wissensnachweises für den Tätigkeitsschwerpunkt „Zahnärztliche Funktionsdiagnostik und -therapie“. Nähere Informationen erhalten Sie unter Tel. 04 21-34 35 38 oder im Internet unter www.cmd-therapie.de in der Rubrik Fortbildungen.